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Gut, besser, Lektorat

Stephan Berg

Noch immer gibt es einige Autor:innen, die Vorurteile gegenüber eines Lektorats haben. Sei es, dass sie Angst haben, dass ihr Stil verfälscht werden könnte oder ihre Geschichte hinterher völlig anders verlaufen wird. Daher möchte ich ein wenig aufklären, was das Lektorat überhaupt ist und was dabei geschieht.


Was ist überhaupt ein Lektorat?

Zuerst muss zwischen dem Verlagslektorat und dem freien Lektorat unterschieden werden. Ein:e Lektor:in im Publikumsverlag ist eine Art Produktmanager:in, der:die eine Schnittstelle zwischen den Abteilungen innerhalb eines Verlages darstellt. Diese muss viele verschiedene Aufgaben rund um das Veröffentlichen betreuen. Textarbeit ist dabei eher selten geworden und wird an sogenannte „Externe“ abgegeben. Und hier kommt das freie Lektorat ins Spiel. Denn freie Lektor:innen arbeiten direkt am Text – sie redigieren. Das Gleiche trifft auch zu, wenn sie mit Selfpublisher:innen zusammenarbeiten. Nachfolgend werde ich nur auf die Inhalte eines freien Lektorats eingehen. Daher gleich die erste Frage: Was genau wird am Text redigiert?


Inhalte Lektorat und Korrektorat

Der Begriff Lektorat oder auch Korrektorat hat keine genaue Definition, sodass theoretisch jede:r etwas anderes darunter verstehen könnte. Umso wichtiger ist es vor einer Zusammenarbeit genau zu klären, was gewünscht ist – dazu aber später mehr. Klassisch und allgemein üblich wird unter einem Lektorat eine inhaltliche und sprachliche Durchleuchtung des Textes verstanden. Wogegen sich das Korrektorat mit der Rechtschreibung, Grammatik und Typografie beschäftigt. Einige Fragen, die im Lektorat behandelt werden, sind zum Beispiel:

  • Ist ein Spannungsbogen vorhanden?

  • Ist ein roter Faden erkennbar?

  • Sind die Figuren authentisch und nachvollziehbar?

  • Gibt es Logikfehler?

  • Beständigkeit von z.B. äußeren Merkmalen überprüfen.

  • Ist die Wortwahl für z.B. Genre, Zielgruppe und fiktive Zeit angemessen?

  • Stilistische Feinheiten wie Wortwiederholungen, Füllwörter, Syntax, etc.

Jegliche Stolperfallen, die den Leser:innen das Lesevergnügen mindern könnten, werden also durchleuchtet. Dabei sollte man aber auch nie vergessen, dass auch Lektor:innen nur Menschen sind und es keine Garantie auf Fehlerfreiheit gibt. Trotzdem gibt eine Menge Lektor:innen, sodass man sich als Autor:in öfter mal fragt, woran man eigentlich eine gute:r Lektor:in erkennt.


Was zeichnet eine gute Lektor:in aus und wie findet man diese?

Lektor:in ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Das bedeutet, dass sich praktisch jeder so nennen darf. Es gibt also auf den ersten Blick keine Qualitätsmaßstäbe. Aber nur auf den ersten Blick. Denn es gibt in Deutschland mehrere Möglichkeiten, sich ausbilden zu lassen. Einerseits der sehr klassische Weg, dass man ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert und mithilfe eines Volontariats in einem Verlag seine Erfahrung sammelt.


Allerdings sind diese Volontariatsplätze im Verlag sehr begrenzt. Daher gibt es für freie Lektor:innen noch andere Ausbildungsmöglichkeiten, abseits der Verlage. Zum Beispiel private Anbieter:innen, wie die Textehexe, die eine eigene Ausbildung entwickelt hat und ihr langjähriges Wissen teilt. Etwas Ähnliches gibt es zum Beispiel auch bei der Lektorin textzucker aus Österreich. Dort kann man sich als angehende:r Lektor:in coachen lassen. Als letzten Anbieter möchte ich noch die Akademie der Deutschen Medien erwähnen. Dort gibt es einen drei-teiligen Seminarkurs zum freien Lektorat mit abschließendem Zertifikat.

Es gibt also viele Möglichkeiten. Aber woran erkennst du nun, ob die Qualifikationen ausreichend sind? Dazu drei Tipps meinerseits:

  • Schaue dir die Webseite des:der Lektor:in an und dort vor allem die Referenzen.

  • Bevor du ein Lektorat buchst, vereinbare ein Probelektorat und am besten auch ein kurzes Telefonat zum Kennenlernen. Denn ein Lektorat ist immer etwas sehr Persönliches und bedarf einer intensiven Kommunikation. Daher sollte der:die Lektor:in mit dir auf einer Wellenlänge sein.

  • Es gibt den Verband der freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL). Wer in diesem Verband ist, musste bereits seine Professionalität nachweisen – außerdem gibt es auf deren Webseite auch eine Übersicht von allen Lektor:innen inklusive Spezialgebiet, Portfolio und Verlinkungen.


Und wie läuft solch ein Lektorat nun ab?


Prinzipiell kann und wird jede:r Lektor:in anders vorgehen. Daher möchte ich dir an dieser Stelle meine persönliche Vorgehensweise kurz vorstellen, damit du weiß, was dich in einem Lektorat erwartet. Denn die Arbeit hat nicht nur der:die Lektor:in, sondern auch du als Autor:in. Jegliche Anmerkungen und Änderungen (in Word mit „Änderungen nachverfolgen“) im Manuskript sind reine Vorschläge und du entscheidest schlussendlich, ob du diese umsetzt oder eben nicht. Es sei jedoch erwähnt, dass Lektor:innen Anmerkungen nie ohne Grund formulieren – manchmal hilft schon eine kleine Nachfrage, um es besser nachvollziehen zu können.

Zu Beginn steht die Kontaktaufnahme – meist über die Webseite oder auch einen Social Media Kanal, wie Instagram. Dafür solltest du eine kurze Zusammenfassung deines Projekts, Genre, Umfang, Deadlines und Erwartungen mitteilen. Danach vereinbaren wir im Regelfall ein Telefonat und ein Probelektorat. Sowohl ich als Lektor als auch du als Autor:in kannst damit einschätzen, ob eine Zusammenarbeit passen würde.


Dann geht es auch schon los. Ich arbeite dein Manuskript das erste Mal nach inhaltlichen Schwächen durch. Mit meist vielen Kommentaren kommt der Text (nach ca. 4-5 Wochen) wieder zurück zu dir. Du hast nun Zeit dir alles in Ruhe durchzulesen und die Änderungen umzusetzen. Dabei kann es auch passieren, dass die Reihenfolge von Szenen durchgetauscht wird, oder ganze Absätze verschwinden. Das ist auch der Grund, wieso die sprachlichen Feinheiten erst im zweiten Durchgang bearbeitet werden. Genau dieser zweite Durchgang findet statt, sobald du mir das Manuskript erneut zusendest. In diesem arbeite ich näher am Text direkt mit der „Änderung nachverfolgen“-Funktion. Aber auch hier kommen immer wieder Kommentare dazu mit Erläuterungen, damit du verstehst, wieso ich diese Änderungen einpflege. Im Idealfall bin ich nach erneuten ca. 2-4 Wochen fertig und du erhältst das von mir fertig lektorierte Manuskript. Trotzdem stehe ich dir noch für Rückfragen zur Verfügung.

Das war ein grober und auch ein etwas idealisierter Ablauf. Denn zwischendurch kann es zu Änderungen im Ablauf kommen – je nachdem, wie gut dein Projekt aufgearbeitet ist und wie viele Rückfragen meinerseits nötig sind. Es kann auch mal vorkommen, dass ich eine Anfrage nicht annehme und z.B. eher ein Coaching empfehle. Ein Lektorat ist eine sehr individuelle Angelegenheit, vor der man aber keine Angst zu brauchen hat. Denn das Ziel ist ganz klar: Das Beste aus der Geschichte zu machen, indem man als Team arbeitet.


Stephan Berg ist freier Lektor. Mehr Informationen findet ihr auf seiner Homepage.

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