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Averyn

So entwickelst Du eine Sprache für Dein Buch.

Du musst nicht Tolkien sein, um eine Sprache zu erfinden. Alles, was Du brauchst, ist: eine Kultur, ein paar Wörter und eine Welt, in die sie passt. Dafür hat der Linguistik-Fan Averyn 5 Ratschläge für Dich, wie auch Dir das Erfinden einer Kunstsprache gelingt.


Manche Kunstsprachen in Büchern bestehen nur aus ein paar wenigen Vokabeln, die im Laufe der Geschichte mal als Begrüßung, mal als Ortsname erwähnt werden und so den Eindruck verstärken, man befinde sich in einer anderen Welt. Christopher Paolini zum Beispiel hält es so in seinem »Eragon«.

Andere Autor*innen haben für ihre Werke schon Sprachen entwickelt, die komplex genug wären, um das ganze Buch darein zu übersetzen. Der berühmteste Fall ist natürlich Tolkiens Elbisch in seinem »Herrn der Ringe«. Es gibt keine Grenzen, genauso wenig wie es ein Minimum gibt. Ich konstruiere seit Jahren Kunstsprachen und habe fünf Ratschläge für Dich ausgewählt, die Dir helfen könnten, eine Sprache zu kreieren, die genau zu Deinem Werk passt.


1. Beginne mit dem Klang


Das Wichtigste für eine Kunstsprache ist, dass ihr Klang zur Welt und zur Kultur des Volkes passt, das sie spricht oder sprach. Die Grammatik ist nebensächlich, denn diese wird in Deinem Buch wahrscheinlich kaum thematisiert. Deshalb empfehle ich, mit der Phonologie der Sprache - also ihrem Lautbild - zu beginnen und alles andere daran auszurichten.


Das Volk lebt einsiedlerisch in den Bergen? Dazu passen kurze Wörter, viele harte Konsonanten wie p, k und s und wenige Vokale.

Es ist eine naturverbundene Kultur, die in üppigen Obsthainen lebt, durch die kühle Bäche fließen? Lange Wörter, weiche Konsonanten wie g, w und m und viele Vokale.



2. Verzettle Dich nicht


Es gibt uferlos Möglichkeiten, wenn Du eine Sprache konstruierst. Du könntest vierzig verschiedene Konsonanten verwenden und achtzehn Vokale unterscheiden. Deine Sprache könnte wie das Finnische fünfzehn grammatische Fälle haben. Und vielleicht zwanzig Zeitformen, die alle Nuancen abdecken. Aber einmal davon abgesehen, dass diejenigen, die später Dein Buch lesen, wahrscheinlich kaum etwas von der Grammatik hinter der Sprache mitbekommen, solltest Du bedenken, dass jede natürliche Sprache auch Einschränkungen hat.


So hat das Finnische beispielsweise keine grammatischen Geschlechter – genau wie das Englische, das zusätzlich ohne Fälle auskommt.

Das Hawaiianische kennt nur dreizehn Buchstaben und die lateinische Sprache unterscheidet nicht zwischen bestimmten und unbestimmten Substantiven. Um Deine Sprache natürlicher wirken zu lassen und um nicht vom Hundertsten ins Tausendste zu kommen, empfehle ich Dir also, ebenfalls solche Limitationen einzubauen.


3. Konstruiere die Sprache intuitiv


Wenn ich ein Buch lese und dort die Pflanze »Qra’fgt« erwähnt wird, sieht das zwar erstmal recht exotisch aus, sagt mir aber nicht viel. Ich weiß nicht, wie ich es aussprechen soll, und dadurch wirkt es auf mich eher wie eine willkürliche Aneinanderreihung von Variablen. In den meisten Fällen ist es sinnvoller, Begriffe zu erfinden, die in unserem Sprachgefühl auch irgendwo andocken. Eine Faustregel dabei ist, dass die Aussprache relativ ersichtlich sein sollte.


4. Setze Deine Sprache sparsam ein


Es ist absolut verständlich, dass Du die Sprache, in die Du viel Arbeit und Herzblut gesteckt hast, auch ausschweifend verwenden willst. Aber bedenke: Weniger ist hier mehr!


Wenn ganze Dialoge in einer mir unbekannten Sprache verfasst sind, werde ich sie höchstwahrscheinlich nur überfliegen, anstatt mich an Deiner Kreativität zu erfreuen. Auch kann ich nicht viel mit einer Landschaftsbeschreibung anfangen, die zur Hälfte aus selbsterfundenen Wörtern besteht und sich etwa so liest: »Der Duft der oublianischen Carji benebelte mich, zusammen mit dem Echo der Sharaq-Schreie.« Wofür sich eine Kunstsprache gut eignet: Namen von Personen und Orten, wichtige Kreaturen und Pflanzen, Zaubersprüche, Grußformeln und Anredewörter. Solche Begriffe sollten aber weniger dazu dienen, die Welt mit exotischen Wörtern auszuschmücken, als das Worldbuilding zu unterstützen.


5. Gib der Sprache einen Sinn


Wenn Du noch einen Schritt weitergehen willst, könntest Du mit der Sprache nicht nur das Worldbuilding festigen, sondern sie zu einem essenziellen Bestandteil der Welt oder des Plots machen. Paolinis Alte Sprache in »Eragon« dient zum Beispiel als Grundlage für die Zaubersprüche, die der Protagonist lernt. Und Tolkien hat das Elbisch sogar konstruiert, um daraufhin Mittelerde und deren gesamte Mythologie darauf aufzubauen, anstatt die Sprache hinterher erst hinzuzufügen.



Ich hoffe, ich konnte das Projekt »Kunstsprache« für Dich etwas entmystifizieren und Dir Anregungen geben, wie Du es angehen kannst und wie Du es eher nicht angehen solltest.

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