Bei der Prämisse scheiden sich die Geister. Für einige Autoren ist sie ein unumgängliches Werkzeug für andere nur vergeudete Liebesmüh. Aber was ist eine Prämisse überhaupt?
Prämissen in der Logik
Die Prämisse kommt von dem lateinischen Wort praemissum = das Vorausgeschickte. Es wird definiert als der erster Satz eines logischen Schlusses. Man kann es so auch als Behauptung oder Annahme bezeichnen. Ein Beispiel:
Aus: Alle Bäume wachsen. (Prämisse)
Und: Eichen sind Bäume. (Prämisse)
Wird: Also wachsen alle Eichen. (Konklusion)
Prämissen in der Literaturwissenschaft
Die Behauptung bzw. der logische Schluss muss nur innerhalb der Geschichte gültig sein.
1946 hat der Journalist und freie Schriftsteller Lajos Egri (1888- 1967) in seinem Standard-Werk Dramatisches Schreiben die Prämisse zum ersten Mal mit der Erzähltheorie in Verbindung gebracht. Er sagt: Ohne gute Prämisse auch kein guter Roman.
"Die Prämisse ist die Essenz dessen, was eine Geschichte zu beweisen versucht."
Aber wie sieht eine gute Prämisse aus?
Sein Beispiel: Extreme Sparsamkeit führt zu Verlust
"Der erste Teil dieser Prämisse spielt auf einen Charakter an – einen sparsamen Charakter. Der zweite Teil – „führt zu“ – verweist auf einen Konflikt, und der dritte, „Verlust“, auf das Ende des Stückes."
Für Egri beinhaltet die Prämisse also immer: Protagonist, Konflikt und Auflösung.
Doch die Prämisse behandelt mehr die Entwicklung des Charakters, bzw. sie gibt der Entwicklung ein konkretes Ziel. Es ist aber nicht zu verwechseln mit dem Ziel des Charakters ("Want und Need"). Das ist ein anderes Thema.
Die Prämisse soll den Autoren und Autorinnen vor allem bei der Überarbeitung helfen. Dementsprechend sollte sie spätestens pünktlich zur Überarbeitungsphase ausformuliert werden. Mit ihrer Hilfe soll man herausfinden können, ob eine Szene diesem Ziel dienlich ist. Oder ob sie einfach nur ein hübsches Beiwerk ist. Sie wird damit auch als Kompassnadel des Buchs bezeichnet.
Streng interpretiert, soll jedoch jede Szene, die nicht der Prämisse entspricht, gestrichen werden.
Allerdings finden wir diese Taktik schon sehr harsch. (Anm. d. Red.)
ABER: Prämisse ist nicht gleich Moral
Die Prämisse eines Buches kann auch höchst unmoralisch sein. Zum Beispiel: Lügen führt zum Erfolg oder Mord führt zu Glück.
Doch die Moral ist etwas, was eine Geschichte uns versucht zu lehren. Es gibt sie heutzutage eher in Kinderbüchern, als in der allgemeinen Belletristik. Die Moral wäre zum Beispiel:
"Wer anderen Menschen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein."
oder
"Lügen ist schlecht." Bzw. "Lügen haben kurze Beine."
Unabhängig von Kinderbüchern ist Moral kein feststehender Begriff. Je nach Gesellschaftsform sind andere Werte moralisch oder unmoralisch. Nehme man ein Beispiel wie: Nutze ein Kondom. Kann das in einigen Religionen als unmoralisch betrachtet werden.
UND: Prämisse ist nicht gleich Thema
Themen sind übergeordnete Ideen einer Geschichte. Sie bestehen meist nur aus einem Wort und kehren in der Literatur immer wieder.
Zum Beispiel:
Freundschaft
Freiheit
Liebe
Rache
etc
Beispiel: Prämissen bekannter Romane
Harry Potter
Liebe ist stärker als Hass
Romeo und Julia
Verbotene Liebe führt zum Tod
Herr der Ringe
Die kleinen Leute werden zu den größten Helden
Game of Thrones
Bedenke, dass du sterblich bist. Und hoffe, dass dein Tod ein spektakulärer ist.
oder etwas seriöser:
Alle Menschen sterben
Tribute von Panem
Es reicht eine Stimme um eine Revolution ins Rollen zu bringen
oder:
Ein selbstlose Tat gibt einer Nation Hoffnung
50 Shades of Grey
mit einem Augenzwinkern 😅
Man muss nicht schreiben können, um einen Bestseller zu landen
Zum Mitnehmen
Die Aufgabe ist heute nicht, eine Prämisse für euer aktuelles Projekt festzulegen. Denn es geht erst einmal darum, ein besseres Gefühl für Prämissen zu bekommen. Sucht euch zwei Eurer Lieblingsbücher heraus und guckt, was für eine Prämisse die Autoren dort gesetzt haben.
Lasst euch auch von den Beispielen inspirieren.
Schreibt uns Eure Beispiele hier als Kommentar.
Wie geht ihr beim Schreiben Eures Buches vor? Setzt ihr eine Prämisse oder findet ihr das zu hochgestochen?
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