Das Wolkenschloss von Kerstin Gier ist auf meiner Leseliste gelandet, weil ich die Jugendbücher der Autorin wirklich gern lese. Und obwohl ich keine Cover-Käuferin bin muss ich zugeben, dass ich dieses Buch unter Umständen auch wegen des Covers und des Titels gekauft hätte, auch wenn ich noch nichts von Gier gelesen hätte.
Grand Hotel à la Orient-Express
Das Buch erzählt von Schulabbrecherin Fanny, 17 Jahre, die im Wolkenschloss, einem etwas in die Jahre gekommenen Grand Hotel in den Schweizer Alpen, ein Jahrespraktikum absolviert. Zwischen Weihnachten und Silvester residieren verschiedene illustre Gäste aus aller Welt in dem eingeschneiten Hotel und so hat die ganze Szenerie ein wenig vom Mord im Orient-Express. Und obwohl es neben den zwei interessanten, gutaussehenden und offenbar auch an Fanny interessierten Jungs auch die missgünstigen Zicken gibt, wirkt das Ganze erstaunlich wenig klischeehaft.
Hier funktioniert, was nicht funktionieren dürfte
Nach allem, was ich bisher über das Schreiben gelernt habe, dürfte dieses Buch nicht funktionieren. Es gibt viel zu viele Figuren, von denen nicht alle für die Handlung relevant sind. Trotz eines Prologs, in dem von einem fremden Diamant und einem Kind, einer Wunde, einem Verfolger und einem Kuss die Rede ist, findet sich insbesondere in der ersten Hälfte keine leitende Frage, die die Spannung hält. Der Protagonistin Fanny passieren die ganze Zeit Sachen, sie gerät in Situationen, für die sich nicht aktiv entscheidet.
Ausnahmen bestätigen die Regel
Das Spannende ist, dass diese Geschichte trotzdem funktioniert. Ich konnte die Geschichte kaum aus der Hand legen, die Atmosphäre und die Erzählstimme haben mich gefesselt und ich kann ehrlich sagen: Ich liebe das Wolkenschloss.
Was können wir daraus lernen? Alle Schreibregeln haben ihren Grund und ihre Berechtigung, aber wir sollten uns nicht zu sehr an ihnen festhalten. Bücher, die sich an alle Regeln halten müssen trotzdem nicht gut sein. Und ein gutes Buch kann auch dann entstehen, wenn man es mit den Regeln nicht so genau nimmt.
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